Besonderheiten der Zielfernrohre

Zielfernrohre sind in vielem den Ferngläsern ähnlich. So werden auch hier die Hauptparameter in der Form "Vergrößerung x Öffnung" angegeben. Aber bereits an der Bauform ist zu erkennen, daß einiges im inneren Aufbau dieser Produkte anders ist. Kommen bei Ferngläsern fast ausschließlich Prismensysteme zur Bildaufrichtung zum Einsatz, so sind es bei Zielfernrohren eigentlich nur Linsensysteme, die dazu benutzt werden, ein aufrechtes Bild zu erzeugen. Der Vorteil der Baulängenverkürzung zählt hier nicht. Zum anderen bietet das zusätzliche Linsensystem eine ausgezeichnete Möglichkeit zur Veränderung des Abbildungsmaßstabes und damit der Gesamtvergrößerung des Gerätes.

Die heute am Markt befindlichen Zielfernrohren für das jagdliche und sportliche Schießen, und nur solche sollen hier diskutiert werden, lassen sich in zwei große Gruppen einteilen, je nachdem in welcher Bildebene sich die Zielmarke (Absehen) befindet. Dieser Unterschied mag auf den ersten Blick nicht als wesentlich erscheinen, hat jedoch auf die Nutzung, Prüfung und insbesondere auch die Herstellung wesentlichen Einfluß.

Es muß unterschieden werden in Zielfernrohre europäischer Bauart, bei denen sich das Absehen in der Objektivbildebene, also der 1. Bildebene befindet. Bei den Zielfernrohren amerikanischen Typs befindet sich diese Zielmarke nach dem Umkehrsystem in der 2. Bildebene, der Okularbildebene.

Typischerweise hat das Umkehrsystem einen Abbildungsmaßstab größer als 1, das heißt, das in der 1. Bildebene entstehende Bild des Objektes wird vergrößert in die zweite Bildebene abgebildet. Das gleiche gilt für die Zielmarke, wenn sie sich in der ersten Bildebene befindet. Das bedeutet konkret, eine gleich große Struktur wird in der 1. Bildebene deutlich größer empfunden als in der 2. Bildebene. Hier zeigen sich bereits erste wesentliche Unterschiede:

  1. Absehen in der 2. Bildebene wirken feiner und
  2. Schmutzpartikel wirken viel störender, wenn sie auf der Strichplatte in der ersten Bildebene gelangen.

Mit modernen Fertigungsverfahren ist es ohne Schwierigkeiten möglich, auch sehr feine Absehen herzustellen, die sich in der 1. Bildebene befinden. Die Vermeidung von Partikel ist ein grundsätzliches Problem in der Fertigung von Zielfernrohren, dem nur mit technisch-technologischen und konstruktiven Maßnahmen beizukommen ist.

Weitere Unterschiede werden deutlich, wenn es sich um Zielfernrohre mit variabler Vergrößerung handelt, die heute bevorzugt angewendet werden. Der Vergrößerungswechsel erfolgt bei allen Typen in der Art, daß zwei Linsengruppen im Umkehrsystem gegeneinander und gleichzeitig insgesamt im Bereich zwischen den beiden Bildebenen verschoben werden. Zur Realisierung dieser Bewegung werden die Linsen des Umkehrsystems über zwei Kurvenbahnen verschoben, die in jeder Stellung eine optimale Abbildung gewährleisten. Dieser Mechanismus für den Vergrößerungswechsel ist in die Genauigkeitsbetrachtungen mit einzubeziehen, wenn sich das Absehen in der 2. Bildebene befindet. Folgende Fehler können bei Zielfernrohren amerikanischer Bauart auftreten, wenn diese nicht ordnungsgemäß ausgeführt sind:

  1. Verlagerung des Visierpunktes in Zusammenhang mit dem Vergrößerungswechsel. Dieser Fehler kann schnell bis zu 20 cm auf 100 m betragen.
  2. Veränderung der parallaxefreien Beobachtungsentfernung.

Beide Fehler treten vom Prinzip her, bei Zielfernrohren europäischer Bauart nicht auf. Sie resultieren aus Ungenauigkeiten im System und können durch eine genaue Fertigung in Verbindung mit Justage so klein gehalten werden, daß sie nicht feststellbar sind.

Ein anderer Fehler in Zusammenhang mit Zielfernrohren mit variabler Vergrößerung ist das sogenannte "Springen" des Absehens. Dieses zeigt sich bei Änderung der Drehrichtung des Varioringes dadurch, daß sich die Treffpunktlage schnell um einen deutlich feststellbaren Betrag ändert. Dieser Fehler resultiert aus Losen in den Fassungen der Linsen des Umkehrsystems.

Zielfernrohre unterscheiden sich von Ferngläsern trotz ähnlichen optischen Aufbaus wesentlich, da auf Grund ihrer Anwendung als Visiereinrichtung ähnliche Erwartungen an die mechanische Präzision ihrer Stelleinrichtungen und die Genauigkeit ihrer optischen Abbildung gestellt werden wie sonst an ein feinmechanisch-optisches Prüfmittel im Labor aber das hier in Verbindung mit höchsten mechanischen Belastungen unter extremen klimatischen Bedingungen.

In diesem Zusammenhang wird immer wieder von Schußfestigkeit gesprochen. Gemeint ist die Stabilität des Justierzustandes unter Schußbelastung. Praktisch kann das auf dem Schießstand oder auch auf einem Schlagprüfstand ermittelt werden. Die Belastungen, die ein Zielfernrohr unterworfen werden, betragen dabei bis zu 1000 g, das heißt, das Zielfernrohr wird für die Dauer von etwa 3 ms einer Belastung der 1000fachen der Erdbeschleunigung ausgesetzt (geschlagen) und das mehrere 100 mal hintereinander. Diese Belastung ist durchaus realistisch für großkalibrige Waffen. Bei Zielfernrohren mit variabler Vergrößerung beträgt die Betrachtungsvergrößerung der Strichplatte bis zu 20fach. Verständlich, daß dann auch kleinste Störungen, Unsauberkeiten und Partikel sichtbar werden.

Spezielle Prüfverfahren für Zielfernrohre

Die Besonderheiten der Zielfernrohre erfordern natürlich zur Messung und Kontrolle dieser Parameter spezielle Prüfeinrichtungen. Was bei einem Fernglas die Gewährleistung der binokularen Justierung bedeutet, ist beim Zielfernrohr die Einhaltung der Treffpunktlage. Umgangssprachlich wird oft von Schußstabilität gesprochen. Gemeint ist die Beibehaltung der eingestellten Treffpunktlage unter praktischen Bedingungen wie Schuß- und Klimabelastung und bei Nutzung der Betätigungseinrichtungen. So besteht ein praktischer Test zum Beispiel darin, daß mit den Elevationseinrichtungen ein Quadrat von zum Beispiel 50 Klick Kantenlänge abgefahren wird. Vor jeder Verstellung wird ein Schuß abgefeuert. Nach dem 4. Schuß muß der Kontrollschuß wieder in der Nähe des ersten Einschußloches sein und die Figur sollte einem Quadrat ähnlich sein, wobei sich die Kantenlänge aus dem angegebenen Stellwert für ein Klick errechnen läßt. Derartige Untersuchungen lassen sich nicht im Labor oder der Fertigung durchführen. Deshalb werden unter labormäßigen Bedingungen entsprechende Prüfeinrichtungen benutzt, mit denen kritische Belastungen nachvollzogen und Schwachstellen herausgefunden werden können.

Von diesen sollen erwähnt werden:

1. Optische Größen

2. Mechanische Größen

3. Kombinierte Größe

Zusammenspiel mit der Waffe

Eine weitere Besonderheit der Zielfernrohre liegt darin begründet, daß sie als einzelnes Produkt nicht bestimmungsgemäß eingesetzt werden können und ihre Bestimmungsfunktion erst mit der Montage auf einer Waffe erhalten. Damit kommen zwei weitere Komponenten ins Spiel, die wesentlichen Einfluß auf die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems haben:

als Bindeglied zwischen den beiden. Sollte das Gesamtsystem versagen, so kann der Schütze den Fehler bei sich suchen oder er wird sich bei seinem Büchsenmacher beklagen. Auch dieser wird in der Regel nicht die von ihm ausgeführte Montage anzweifeln, sondern vielleicht den Fehler auf die wenig überschaubare Größe Zielfernrohr.

In der Tat haben zahlreiche Faktoren Einfluß auf den Erfolg beim jagdlichen Schießen. Von den unzähligen Faktoren seien hier nur erwähnt, die Munitionsstreuung, der Zustand der Waffe, die Witterungsbedingungen und die Konstitution des Schützen. Die Qualität der Ausführung der Montage hat gleichfalls wesentlichen Einfluß auf die Schußleistung. Die Büchsenmacher stehen hier unter einem erheblichen Kostendruck, denn obgleich die Jäger nicht selten mehrere tausend Euro für ein Jagdgewehr und oft um die tausend Euro für ein Zielfernrohre ausgeben, wird versucht, bei der Montage, die je nach Art einige hundert Euro kostet, zu sparen. Es kommt vor, daß nicht die richtigen Gestecke verwendet werden oder das mit unangemessener Kraftanwendung montiert wird, was zur Beschädigung des Hauptrohres und damit in der Regel zum Unbrauchbarwerden des Zielfernrohrs führt.

Es sollte deutlich werden, daß gerade Zielfernrohre von der Entwicklung über die Fertigung der Einzelteile bis hin zur Montage ein umfassendes Know-how und zugeschnittene Justier-und Prüfmittel erfordern und besondere Anforderungen an den Service stellen. Die in der einschlägigen ISO-Norm vorgeschlagenen Kriterien für Mindestanforderungen und Toleranzen wesentlicher Geräteparameter können nur als Basis für die Bewertung der Leistungsfähigkeit und des qualitativen Niveaus eines Modells bilden.